Wett­be­werb um Daten, Wett­be­werb im Datenschutz?

Symbolbild Datenmarkt

Bonn, Deutsch­land; Paris, Frank­reich; Moun­tain View und Men­lo Park, Kali­for­ni­en. Euro­päi­sche Uni­on (EU) und Ver­ei­nig­te Staa­ten von Ame­ri­ka (USA). Das schei­nen manch­mal die Gegen­spie­ler in der Daten­öko­no­mie. Das jüngs­te Kräf­te­mes­sen zwi­schen Regu­la­to­ren und Inter­net-Groß­kon­zer­nen gibt Anlass, sich die recht­li­che Lage näher anzusehen.

Das deut­sche Bun­des­kar­tell­amt hat vor kur­zem eine Ent­schei­dung gegen Face­book bekannt gege­ben. Das Unter­neh­men geht selbst­ver­ständ­lich gegen sie vor, denn sie legt ihm star­ke Ände­run­gen im Pro­zess der Daten­samm­lung und des Tei­lens über unter­schied­li­che Geschäfts­be­rei­che hin­weg auf. Die Ent­schei­dung wur­de getrof­fen, nach­dem etwa zwei Wochen zuvor die fran­zö­si­sche Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­de (Com­mis­si­on Natio­na­le de l’In­for­ma­tique et des Liber­tés) der Goog­le LLC eine Rekord­stra­fe wegen der Ver­let­zung von DSGVO-Vor­ga­ben auf­er­legt hat. Schon län­ger füh­ren diver­se Akti­vis­ten­grup­pen Kam­pa­gnen gegen Miss­brauch in die­sem Kon­text (unter ande­rem sind hier Digi­tal­cou­ra­ge, Pri­va­cy Inter­na­tio­nal, CCC – Cha­os Com­pu­ter Club und jüngst auch stark nyob zu nen­nen). Allein die­se Akti­vi­tä­ten, die man je nach eige­ner Über­zeu­gung sicher­lich unter­schied­lich wer­tet, zei­gen aller­dings die Bedeu­tung und Markt­re­le­vanz von Daten. Die Bedeu­tung der größ­ten Anbie­ter, und ins­be­son­de­re der größ­ten Anbie­ter Goog­le und Face­book, unter­strei­chen auf sol­che Platt­for­men spe­zia­li­sier­te Wer­be­agen­tu­ren für werb­li­che Ange­bo­te auf ihnen eben­so wie der gro­ße auf ihnen gene­rier­te Wer­be­um­satz. Gele­gent­lich wer­den gar For­de­run­gen laut, eine eige­ne Euro­päi­sche Such­ma­schi­ne zu ent­wi­ckeln (not­falls staat­lich, letzt­lich nicht erfolg­reich), oder gar Face­book zu zer­schla­gen.

Ähn­lich der Dis­kus­si­on bei Künst­li­cher Intel­li­genz, bei der so weit gegan­gen wird zu sagen “stop­pen wir es, bevor es zu spät ist”, die vor­aus grei­fen­de Regu­lie­rung for­dern, kön­nen wir auch die Fra­ge stel­len, ob die Rege­lun­gen für Daten und Markt ange­mes­sen sind und wie es um die per­sön­li­chen Frei­hei­ten steht. Wir soll­ten also fragen:

  • Ist die aktu­el­le Gesetz­ge­bung zu Daten und dem Daten­markt pas­send und ausreichend?
  • In wel­che Rich­tung sol­len sich Vor­ga­ben für Daten­ver­ar­bei­tung und Daten­markt entwickeln?
  • Kön­nen wir uns auf Selbst­re­gu­lie­rung stüt­zen oder muss die öffent­li­che Hand (gesetz­ge­be­risch) eingreifen?
  • Wie soll­te die Abwä­gung zwi­schen vor­aus­grei­fen­der und nach­träg­li­cher (ggf. rück­wir­ken­der?) Regu­lie­rung aus­fal­len? In wel­chem Ver­hält­nis ste­hen die ste­hen freie (Fort?)Entwicklung und Missbrauchsgefahr?

Wenn­gleich das Recht wohl immer etwas hin­ter­her hin­ken wird, soll­ten wir dar­an arbei­ten, es zukunfts­fä­hig zu hal­ten. Exak­ter for­mu­liert, soll­ten wir das Recht kon­ti­nu­ier­lich fort­ent­wi­ckeln, denn auch die Zukunft ent­wi­ckelt sich immer­fort weiter.

Die­ser Bei­trag greift die genann­ten The­men in fol­gen­den Abschnit­ten auf: zunächst wer­den die Cha­rak­te­ris­ti­ka des Umfeld beleuch­tet, zwei­tens wer­den die aktu­ell vor­han­de­nen regu­la­to­ri­schen Befug­nis­se betrach­tet, drit­tens wird ein aus­bli­cken­der, rechts­po­li­ti­scher Stand­punkt ein­ge­nom­men und vier­tens erfolgt eine abschlie­ßen­de kur­ze Zusammenfassung.

1. Das Umfeld

 Die Gefahr des Miss­brauchs steigt schein­bar mit der Stär­ke der Unter­neh­men, die Markt­zu­tritts­bar­rie­ren sind hoch. Wie schwer sich neue Spie­ler auf dem Markt tun zeigt die ver­gleichs­wei­se schnel­le Über­nah­me von Whats­App und Insta­gram durch Face­book sowie auch die “Treue” der Kun­den zu die­sen Net­zen. Drei der größ­ten sozia­len Medi­en sind seit­dem in Hand der Face­book Inc. Verteilte/datenschutzfreundliche Lösun­gen wie Mastodon und dia­spo­ra* fris­ten ein Nischen­da­sein. Alter­na­tiv­an­bie­ter sind häu­fig – zumin­dest gefühlt – nicht aus­rei­chend benut­zer­freund­lich, das “Tot­schlag­ar­gu­ment” ist jedoch: mei­ne Freun­de und Kol­le­gIn­nen sind woan­ders. Das gilt und bleibt trotz der vie­len Skan­da­le um den Kon­zern Face­book der Fall. Nicht zuletzt dar­aus resul­tiert auch Ihre Bedeu­tung in Wahl­kam­pa­gnen – hier geht es dann nicht nur um wirt­schaft­li­che Inter­es­sen, son­dern auch um die Grund­fes­ten unse­rer Gesell­schaft. Die gro­ßen Digi­tal­kon­zer­ne gehö­ren zu den Unter­neh­men mit höchs­ter Markt­ka­pi­ta­li­sie­rung, ihre gro­ße Nut­zer­ba­sis führt auto­ma­tisch dazu, dass bei Ihnen die vor­han­de­ne Daten­men­ge und damit auch die mög­li­che Qua­li­tät der dar­aus gezo­ge­nen Aus­sa­gen stei­gen. Die Markt­stel­lung ver­stärkt sich auto­ma­tisch – die klas­si­schen Grö­ßen­vor­tei­le also. Die­se ver­stär­ken sich in der digi­ta­len Welt noch dadurch, dass die Trans­ak­ti­ons­kos­ten sehr gering sind, also pro zusätz­li­chen Nut­zer kaum zusätz­li­che Kos­ten anfallen.

Sofort auf­ste­hen und die Kon­zer­ne zer­schla­gen? Ganz so (vor)schnell soll­ten wir den Schluss aller­dings auch nicht zie­hen: ein wei­te­res Bei­spiel zeigt, dass die alt­her­ge­brach­ten Bewer­tungs­maß­stä­be auch teil­wei­se fehl­ge­hen: Apple hat mit iOS einen Betriebs­sys­tem-Markt­an­teil von “nur” 13,2 %1, jedoch gilt es (zu Recht) als ent­schei­den­der Spie­ler auf dem Smart­pho­ne-Betriebs­sys­tem-Markt. Kei­ne App für das Apple-Betriebs­sys­tem zu haben, leis­ten sich etwa nur sehr weni­ge der grö­ße­ren Anbie­ter. Inso­fern ist das grö­ße­re Kon­kur­renz­sys­tem Android trotz sei­nes gro­ßen Markt­an­teils einem star­ken Wett­be­werb aus­ge­setzt: ein Mono­pol exis­tiert nicht, man könn­te höchs­tens von einem Duo­pol Goog­le (Android) — Apple (iOS) aus­ge­hen. Der rei­ne Markt­an­teil gibt also die Bedeu­tung nicht hin­rei­chend wie­der. Auch bei einem gro­ßen Markt­an­teil kann immer noch star­ker Kon­kur­renz­druck bestehen. Dem­entspre­chend ist Vor­sicht bei Wer­tun­gen geboten.

Um das Umfeld zu ver­ste­hen und so fun­dier­te Ana­ly­sen machen zu kön­nen, hilft es sich die Kern­ei­gen­schaf­ten die­ser Umfel­der anzu­se­hen: den Netz­werk­ef­fekt (alle rele­van­ten Inhal­te, alle Kon­tak­te sind dort, das Publi­kum und die Kun­den sind dort), eben­so der Lock-In-Effekt (eige­ne Inhal­te sind dort und nur auf­wen­dig woan­ders hin umzu­zie­hen) erschwe­ren einen Wech­sel zu ande­ren Anbie­tern. Die schie­re Men­ge der anfal­len­den Daten (ins­be­son­de­re “Beob­ach­tung” der Nut­zer des Ange­bots ermög­licht her­aus­ra­gen­de Ange­bo­te, etwa indem bes­ser erkannt wird, wel­che Inhal­te rele­vant sind). Nicht zuletzt ermög­licht die durch die vor­ge­nann­ten Punk­te gefes­tig­te Macht im Auf­tritt am Markt auch die Bedin­gun­gen zu dik­tie­ren und etwa eine “frei­wil­li­ge” Rund­um-Ein­wil­li­gung in die Daten­ver­ar­bei­tung ein­zu­ho­len – denn die Alter­na­ti­ve der Nicht-Nut­zung fällt für die Nut­zer wegen der Schwie­rig­kei­ten des Anbie­ter­wech­sels aus. Es besteht also fak­tisch kein ech­ter Wett­be­werb, aus Nut­zer­sicht dürf­te meist kei­ne freie Anbie­ter­wahl mög­lich sein, er gibt Ein­wil­li­gun­gen ab, wohl aber nicht zuletzt unter zumin­dest star­kem sozia­lem Druck, genau die­ses zu nut­zen und damit auch die ent­spre­chen­den Erklä­run­gen abzu­ge­ben. Eine öffent­li­che Dis­kus­si­on und unter Umstän­den auch öffent­li­che Ein­grif­fe sind not­wen­dig, denn ob die Kon­kur­renz der Kon­zer­ne und Kämp­fe zwi­schen Ihnen, wie etwa zuletzt zwi­schen Apple auf der einen und Goog­le und Face­book auf der ande­ren Sei­te hier aus­rei­chen bleibt fraglich.

2. Bestehen­de Befugnisse

Es stellt sich die Fra­ge, ob unse­re bestehen­den Mit­tel aus­rei­chend sind, um die wei­te­re Ent­wick­lung zu beglei­ten. Um sie zu beant­wor­ten, ist es erfor­der­lich, sie zunächst in Kon­text von Daten-Wirt­schaft genau­er zu betrach­ten. Im Kon­text der Daten­wirt­schaft kom­men Sie aus den Berei­chen Wett­be­werbs­recht und Datenschutz.

a. Wett­be­werbs­recht­li­che Befugnisse:
Ver­hin­de­rung von Markt­macht­miss­brauch und Fusi­ons­kon­trol­le, Ver­hin­de­rung der Markt­kon­zen­tra­ti­on bei Zusammenschlüssen

Das Wett­be­werbs­recht arbei­tet mehr­stu­fig: auf der ers­ten Ebe­ne sieht es Mecha­nis­men vor, um eine star­ke Kon­zen­tra­ti­on von Markt­macht schon gar nicht ent­ste­hen zu las­sen. Ent­steht die­se den­noch, legt es dem betref­fen­den Unter­neh­men Hand­lungs­be­schrän­kun­gen auf und schränkt inso­fern sei­ne Frei­heit zu Ver­trags­schlüs­sen in gewis­sem Maß ein. Zu guter Letzt kann es auch Umstän­de geben, in denen es Maß­nah­men zur Auf­lö­sung zu star­ker Markt­macht vorsieht.

Der Bün­de­lung von Markt­macht stellt das Recht einer­seits ein Ver­bot wett­be­werbs­schä­di­gend zusam­men­wir­ken­der Ver­hal­tens­wei­sen und Abspra­chen, ande­rer­seits auch den Mecha­nis­mus der Zusam­men­schluss­kon­trol­le (Fusi­ons­kon­trol­le, VO (EG) 139/2004 und §§ 35 ff. GWB) ent­ge­gen. Im Umfeld der Daten­öko­no­mie war etwa der Kauf von Whats­App durch Face­book Gegen­stand einer Ent­schei­dung und wur­de durch die Kom­mis­si­on zuge­las­sen, nicht zuletzt da der Face­book gewis­se Zusa­gen wie die Tren­nung der Daten­be­stän­de mach­te. Im Nach­hin­ein betrach­tet, griff die Betrach­tung, die sich ganz vor­wie­gend auf den Wer­be­markt und die Mög­lich­keit der Nut­zer zur Ver­wen­dung ande­rer sozia­ler Netz­wer­ke bezog, zu kurz. Nichts des­to trotz kann die Ent­schei­dung aus dama­li­ger Sicht rich­tig gewe­sen sein. Zusätz­lich hat Face­book spä­ter eini­ge der Zusa­gen (vgl. Rn. 182 der Geneh­mi­gungs­ent­schei­dung) abwei­chend von Euro­päi­sche Kom­mis­si­on inter­pre­tiert und Whats­App wei­ter in das Unter­neh­men inte­griert. Durch die von der Kom­mis­si­on ver­häng­te Geld­bu­ße ließ sich aller­dings Face­book nicht wei­ter beir­ren lässt und treibt die Zusam­men­le­gung der unter­schied­li­chen Geschäfts­be­rei­che wei­ter vor­an. Dies zeigt treff­lich die Schwie­rig­keit: die vir­tu­el­le Welt ist in jeder Hin­sicht schwie­ri­ger zu grei­fen als die klas­si­sche Realwirtschaft.

Ist eine Markt­macht in Form der Markt­be­herr­schung fest­ge­stellt, greift jedoch das Kar­tell­recht und die Wett­be­werbs­be­hör­de kann etwa wegen Miss­brauchs vor­ge­hen, so wie sie dies jetzt im Face­book-Fall getan hat. Hier­ge­gen gerich­te­te Kri­tik2, dass Markt­macht­miss­brauch im Daten­schutz­recht nur durch die Daten­schutz-Auf­sichts­be­hör­den sank­tio­niert wer­den soll­te, über­zeugt nicht, denn es gibt weder eine exklu­si­ve Zustän­dig­keit noch sind die Daten­schutz­auf­sichts­be­hör­den fach­lich die mit Miss­brauch von Markt­macht am engs­ten befass­ten Behör­den; viel­mehr kann ihre Daten­schutz-Exper­ti­se auch in ein wett­be­werbs­recht­li­ches Ver­fah­ren einfließen.

Ob eine hohe Markt­kon­zen­tra­ti­on gege­ben ist, ist gera­de im Kon­text der Daten­wirt­schaft häu­fig nicht ein­fach zu beur­tei­len. Die ohne­hin schwer zu hand­ha­ben­de Markt­ab­gren­zung wird dadurch erschwert, dass häu­fig mehr­sei­ti­ge Märk­te bestehen und die Wech­sel­be­zie­hun­gen zwi­schen ihnen trotz der hier­für vor­ge­se­he­nen wei­te­ren Merk­ma­le (§ 18 Abs. 3a GWB) schwer treff­si­cher fest­zu­hal­ten sind. Dies ver­an­lasst gar einen renom­mier­ten Kar­tell­recht­ler das Vor­ge­hen mit der Markt­de­fi­ni­ti­on zu hin­ter­fra­gen. Ist jedoch eine Markt­macht fest­ge­stellt, gel­ten für das Unter­neh­men im ent­spre­chen­den Bereich die Vor­ga­ben gegen einen Markt­macht­miss­brauch. Einen sol­chen hat etwa die Kom­mis­si­on bei der Goog­le Inc. fest­ge­stellt. Trotz star­ker Markt­stel­lung des Smart­pho­ne-Betriebs­sys­tems Android wur­de die Lizen­zie­rung des Goog­le Play Store, über den zusätz­li­che Appli­ka­tio­nen auf das Gerät gela­den wer­den kön­nen, an die Nut­zung wei­te­rer Goog­le-Diens­te, etwa der Suche, gekop­pelt. Goog­le hat hier­ge­gen Beru­fung ein­ge­legt, muss die Vor­ga­ben aller­dings zwi­schen­zeit­lich umset­zen. Die ande­re Sei­te der Medail­le kann der (Nicht-)Zugang zu Diens­ten markt­star­ker Anbie­ter sein. In gewis­sem Rah­men ermög­licht die Essen­ti­al Faci­li­ties Doc­tri­ne Zugang zu die­sen. Sie exis­tiert, wenn auch mit im Detail unter­schied­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, sowohl in den USA, als auch in der EU. Kon­kre­te Fäl­le für die Daten­wirt­schaft sind mir nicht bekannt, jedoch kann man die Dis­kus­si­on mei­nes Erach­tens nach bei meh­re­ren digi­ta­len Diens­ten die Fra­ge stel­len, ob die Markt­macht nicht so groß ist.

ich habe immer öfter den Ein­druck, dass wir uns mit unse­rem Ver­trau­en auf die Markt­ab­gren­zung kei­nen Gefal­len tun”
Rupprecht Pod­zun

So Stand vor Durch­set­zung und Markt­kon­so­li­die­rung der Fern­bus­se in Deutsch­land die Deut­sche Bahn mit einem Qua­si-Mono­pol auf Fern­rei­sen im öffent­li­chen Ver­kehr, sodass man über einen Zugang zu deren Buchungs­platt­form als ein­zi­ger direk­ter Such­ma­schi­ne hät­te dis­ku­tie­ren kön­nen. Hier geht es um den Zugang zu Kun­den, also den einen her­aus­ra­gend star­ken Ver­triebs­ka­nal (der aus einer Mono­pol­stel­lung ent­stan­den ist). In Hin­blick auf Daten bleibt span­nend, wohin sich die Pra­xis ent­wi­ckelt. In den USA gab es im Kon­text Twit­ter ein Kla­ge­ver­fah­ren auf wei­te­ren Zugang zu den Twit­ter-Daten: Peo­p­le­Brow­ser ver­such­te fort­ge­setz­ten Zugang auf Daten gegen­über Twit­ter ein­zu­kla­gen. Dies wur­de auch im Nach­gang auch all­ge­mein unter dem Gesichts­punkt des Zugangs zu unver­zicht­ba­ren Daten wis­sen­schaft­lich dis­ku­tiert.

Zu guter Letzt sieht das Wett­be­werbs­recht noch soge­nann­te “struk­tu­rel­le Maß­nah­men” vor, die bis hin zu einer Entflechtung/Zerschlagung zu Unter­neh­men füh­ren kön­nen3. Dies kann von der Rück­ab­wick­lung unzu­läs­si­ger Zusam­men­schlüs­se bis hin zu kar­tell­recht­lich legi­ti­mier­ten Ein­grif­fen in die Unter­neh­mens­sub­stanz sein. Letz­te­re wird zwar wie schon ein­gangs genannt, gele­gent­lich etwa gegen­über Face­book gefor­dert, ist jedoch ein sehr star­kes Mit­tel, das ange­sichts der Eigen­tums­ga­ran­tie ganz beson­de­rer Recht­fer­ti­gung bedarf. Das gilt umso mehr, da dadurch das Pro­blem nicht auto­ma­tisch besei­tigt ist – den Markt­be­dürf­nis­sen wür­den ande­re Ange­bo­te fol­gen und ohne vor­ab einen pas­sen­den Rah­men zu set­zen, könn­ten die­se sich ähn­lich wie das zer­schla­ge­ne Unter­neh­men ent­wi­ckeln. Eine schlich­te star­ke Stel­lung am Markt kann als Aus­lö­ser kei­nes­falls genü­gen. In jedem Fall müs­sen die­se Maß­nah­men sub­si­di­är zu ver­hal­tens­steu­ern­den Maß­nah­men sein4.

b. Daten­schutz­recht­li­che Maßnahmen

Ein span­nen­der Aspekt der ein­gangs erwähn­ten Ent­schei­dung des Bun­des­kar­tell­amts ist, dass hier die kar­tell­recht­li­che Bewer­tung unter ande­rem auf daten­schutz­recht­li­che Aspek­te gestützt wird: die Ein­wil­li­gung der Benut­zer in die Wei­ter­ga­be an ande­re Geschäfts­be­rei­che sei nicht frei­wil­lig und wirk­sam erteilt5. Dies zeigt den Dop­pel­cha­rak­ter des Daten­schutz­rechts: es ist glei­cher­ma­ßen per­so­nen­schüt­zen­des Abwehr­recht wie Markt­ver­hal­tens­re­ge­lung6.

Auch unab­hän­gig von der kar­tell­recht­li­chen Wer­tung weist das Daten­schutz­recht Sank­tio­nen auf die zur Abschre­ckung geeig­net sind: In jedem Fall kön­nen an Ver­stö­ße gegen die daten­schutz­recht­li­chen Vor­ga­ben emp­find­li­che Buß­gel­der von bis zu 2/4 % des Umsat­zes bzw. auch dar­über hin­aus bis zu 10/20 Mil­lio­nen Euro (die Unter­schei­dung ergibt sich je nach­dem, gegen wel­che Vor­schrif­ten ver­sto­ßen wird) (Art. 83 DSGVO). Dane­ben ste­hen Scha­dens­er­satz­an­sprü­che mit Nach­weis­pflich­ten auf Sei­ten der Daten­ver­ar­bei­ter (Art. 82 DSGVO). Um die­se aller­dings aus­zu­lö­sen, also ihnen zur Wir­kung zu ver­hel­fen, müss­ten Vor­ga­ben der DSGVO dem (in unse­rem Fall markt­re­le­van­ten) Ver­hal­ten ent­ge­gen­ste­hen. Hier­bei kom­men meh­re­re Fel­der in Fra­ge, von denen aller­dings pri­mär die Ver­ar­bei­tungs­grund­la­ge rele­vant ist.

Bei den Ver­ar­bei­tungs­grund­la­gen liegt zunächst die Ein­wil­li­gung nahe, die einer­seits bei der Kom­mu­ni­ka­ti­on über das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren im Fokus stand, die fer­ner auch den Zie­len des Geset­zes nahe kommt und die für die Daten­ver­ar­bei­ter den Vor­teil hat, dass man mit einer wirk­sa­men Ein­wil­li­gung nahe­zu jede Daten­ver­ar­bei­tung recht­fer­ti­gen kann. Mit der Wirk­sam­keit sind wir aller­dings an einem viru­len­ten Punkt: nicht nur kann die Ein­wil­li­gung wider­ru­fen wer­den, sie ist auch in der Pra­xis häu­fig nicht leicht umzu­set­zen, denn sie muss frei­wil­lig sein und sie darf nicht belie­big mit ande­ren Erklä­run­gen gekop­pelt werden.

Die Frei­wil­lig­keit und damit auch Wirk­sam­keit einer Ein­wil­li­gung kann man bei Netz­werk­gü­tern ganz all­ge­mein in Fra­ge stel­len: wenn der Vor­teil des Net­zes groß genug ist und Zugriff nur nach Ein­wil­li­gung in die Daten­ver­ar­bei­tung gege­ben wird, dürf­te sich ein gro­ßer Teil der poten­ti­el­len Anwen­der gezwun­gen füh­len, zuzu­stim­men (“ich habe doch kei­ne ande­re Wahl”) – damit wäre die Ein­wil­li­gung gera­de nicht frei­wil­lig im Sinn des Geset­zes.7 Jeden­falls dürf­te man unter das Kopp­lungs­ver­bot fal­len (Art. 7 Abs. 4 i.V.m. Erwä­gungs­grund 42 Satz 2 DSGVO). Ob sie hier trägt, wer­den abschlie­ßend Gerich­te ent­schei­den müs­sen. Denk­bar wäre selbst­ver­ständ­lich auch, Hand­lungs­al­ter­na­ti­ven zu eröff­nen, was aber regel­mä­ßig durch die Anbie­ter der Dienst­leis­tun­gen nicht gewünscht ist, da es nicht dem Kern­ge­dan­ken ihres Geschäfts­mo­dells entspricht.

Dane­ben bleibt als Recht­fer­ti­gung für die Daten­ver­ar­bei­tung nur, sie als Teil der ver­trag­li­chen Gegen­leis­tung zu defi­nie­ren und auf die Not­wen­dig­keit zur Erfül­lung (Art. 6 Abs. 1 Lit. c DSGVO) zu stüt­zen. Es spricht viel dafür, dass dies recht­lich zuläs­sig ist 8, aller­dings auch nur, soweit es trans­pa­rent kom­mu­ni­ziert ist (Art. 5 Abs. 1 Lit. a) am Ende, Art. 13 Abs. 1 Lit. c) Teil 2, Art. 14 Abs. 1 Lit. c) Teil 2 DSGVO). Nimmt man dies an, so wird eine Daten­ver­ar­bei­tung erst unzu­läs­sig, so sie die Schwel­le zum Markt­macht­miss­brauch über­steigt. Inso­fern wür­de hier das Daten­schutz­recht die Ver­ar­bei­tung nicht ver­hin­dern, son­dern nur einen Aus­übungs­rah­men (vgl. vor allem Art. 5 DSGVO) fest­le­gen. Bei die­sem The­ma schließt sich inhalt­lich auch der Kreis zur Frei­wil­lig­keit – denn je mäch­ti­ger ein Unter­neh­men ist, des­to wahr­schein­li­cher ist, dass Betrof­fe­ne die Ein­wil­li­gung ertei­len, nur um dar­an teil­neh­men zu können.

Bei bei­den mög­li­chen Ver­ar­bei­tungs­grund­la­gen besteht hier im Grund­satz ein Recht auf Daten­über­trag­bar­keit (Art. 20 DSGVO), das aller­dings fak­tisch auf­grund sei­ner Ein­schrän­kun­gen, ins­be­son­de­re Abs. 4 – Rech­te Drit­ter – sowie dem punk­tu­el­len Cha­rak­ter wenig Bewe­gung im Bereich der Platt­for­men brin­gen wird. Häu­fig wer­den Platt­for­men nicht alle Daten her­aus­ge­ben dür­fen, da sie meh­re­re Per­so­nen betref­fen. Bei vie­len Nut­zungs­ar­ten von Platt­for­men kommt die Zeit­kom­po­nen­te dazu: es ist nur inter­es­sant, was aktu­ell ist, rele­vant ist nur die Platt­form, auf der auch die ande­ren Nut­zer der­zeit aktiv sind9 – ein Schnapp­schuss eines Zeit­punkts, wie er nach Art. 20 gefor­dert wer­den kann, spie­gelt das Poten­ti­al der Platt­form nur unzu­rei­chend wie­der. Inso­fern dürf­te sich Daten­über­trag­bar­keit in der Pra­xis als sehr stump­fes Schwert erweisen.

Die Kom­ple­xi­tät der Vor­ga­ben sowie die gro­ße wirt­schaft­li­che Bedeu­tung sowohl durch Buß­gel­der als auch durch die Markt­dy­na­mik wur­den seit dem Wirk­sam­wer­den der DSGVO stark dis­ku­tiert. So wur­de etwa gefragt (und bis­her nicht final beant­wor­tet), ob die Vor­ga­ben durch den star­ken Fokus auf Ein­wil­li­gung, Abläu­fe und Nach­weis­pflich­tig­keit letzt­lich den gro­ßen Kon­zer­nen die­nen könn­ten, da hier die Anwen­der ein­mal klar eine Ein­wil­li­gung geben kön­nen und dann die Ange­bo­te “unbe­hel­ligt von Abfra­gen” nut­zen könn­ten, wäh­rend Nut­zer klei­ne­re Web­sei­ten nur sel­ten fre­quen­tie­ren und schnell die Bit­te um Ein­wil­li­gung wegkli­cken könn­ten.10

Fest­zu­hal­ten bleibt, dass die DSGVO-Vor­ga­ben durch­aus Poten­ti­al zur Mark­steue­rung haben. Gleich­zei­tig ber­gen sie in der Pra­xis die Her­aus­for­de­rung, rich­tig und auch (nur) in ange­mes­se­nem Umfang umge­setzt zu wer­den. Kern­punkt der Dis­kus­si­on ist, ob eine gewis­se (durch das Unter­neh­men gewähl­te und auch den Betrof­fe­nen gegen­über trans­pa­rent zu machen­de) Ver­ar­bei­tungs­grund­la­ge recht­lich trägt. Dies ist im Ein­zel­fall zu prü­fen und wird jeden­falls in den nächs­ten Jah­ren man­gels Recht­spre­chung ein Grau­be­reich bleiben.

c. Bewer­tung der Befugnisse

Die bestehen­den Instru­men­te erschei­nen in ihren jewei­li­gen Berei­chen wirk­sam. Aller­dings ist ihr Anwen­dungs­be­reich beschränkt. Wie groß die aus ihnen fol­gen­de Abde­ckung ist, wird die Rechts­pra­xis zei­gen müs­sen. Es bleibt also zu sehen, ob wei­te­re Befug­nis­se not­wen­dig werden.

Die Zusam­men­ar­beit der unter­schied­li­chen Behör­den kann als im Posi­ti­ven modell­haft bezeich­net wer­den. Den Wett­be­werb rein über Daten­schutz­recht und die dazu­ge­hö­ri­gen Behör­den aus­zu­steu­ern wür­de zu kurz grei­fen. Gleich­zei­tig sind Per­so­nen­da­ten in vie­len Berei­chen so wich­tig, dass eine Betei­li­gung der Akteu­re des Daten­schut­zes unver­zicht­bar ist. Die Zusam­men­ar­beit wird sich häu­fig prak­tisch allein wegen des Zustän­dig­keits­mo­dells im Ver­wal­tungs­recht als nicht ganz ein­fach erwei­sen, bleibt jedoch unver­zicht­bar. Grei­fen die Berei­che Hand in Hand kann inso­fern – wie die ein­gangs zitier­te Ent­schei­dung beweist – durch­aus schlag­kräf­tig gehan­delt werden.

Alle bestehen­den Instru­men­te sind aller­dings stark nach­ge­la­gert, ermög­li­chen also nicht eine vor­ab-Steue­rung. Nach­dem die zukünf­ti­gen Geschäfts­mo­del­le und ihre Schwie­rig­kei­ten noch nicht bekannt sind, ist dies im Grund­satz rich­tig. Eine Vor­feld-Regu­lie­rung wür­de schnell zu wir­kungs­lo­ser Büro­kra­tie füh­ren. Die bestehen­den Vor­ga­ben sind außer­dem im Anwen­dungs­um­fang stark ein­ge­schränkt. Wäh­rend dies ange­sichts ihres Ein­griffs-Cha­rak­ters grund­sätz­lich rich­tig ist, bleibt zu prü­fen, ob sie aus­rei­chend und in den rich­ti­gen Fel­dern prä­sent sind.

3. Rechts­po­li­ti­sche Perspektive

Ein Durch­set­zungs­pro­blem zeigt sich häu­fig an den Gren­zen der Juris­dik­tio­nen: natio­na­le Gren­zen ent­spre­chen nicht den Gren­zen des Inter­nets. Aller­dings zeigt sich an immer mehr Geset­zen (etwa dem ame­ri­ka­ni­schen FCPA For­eign Cor­rupt Prac­ti­ces Act, dem bri­ti­schen Modern Slavery Act und jetzt eben der DSGVO), dass durch­aus eine Aus­strahl­wir­kung erreicht wer­den kann. Gefähr­lich hin­ge­gen wird es, wenn natio­na­le Rech­te zu einer Seg­men­tie­rung des Inter­nets in qua­si-staat­li­che Intra­nets bedingt–dies wider­spricht dem Grund­ver­ständ­nis unse­rer auf­ge­klär­ten, demo­kra­ti­schen Gesell­schaft, wie es in der letz­ten Zeit in eini­gen Staa­ten zu beob­ach­ten ist. Eine sol­che Seg­men­tie­rung wird im Extrem­fall auch den inter­na­tio­na­len Han­del gefährden.

Die fach­ge­setz­li­chen Rege­lun­gen zei­gen ihre eige­nen Schwie­rig­kei­ten: die Platt­for­m­öko­no­mie ist mit der klas­si­schen Markt­de­fi­ni­ti­on kaum zu grei­fen. Die Ent­schei­dung der Kom­mis­si­on zum Zusam­men­schluss von Face­book und Whats­App zeigt dies exem­pla­risch: sie erwägt zu Recht die Wer­be­märk­te umfas­send, gleich­zei­tig sind die Ein­zel­per­so­nen-Nut­zer eben­so betrof­fen; letzt­lich kommt es über sie auch zu einer Rück­wir­kung auf die Wer­be­wirk­sam­keit und damit den Wer­be­markt. Wo der Netz­werk­ef­fekt greift, muss das Netz­werk neben dem Markt eben­so stark berück­sich­tigt wer­den. Ins­be­son­de­re bei durch Daten ver­stärk­ten Netz­werk­ef­fek­ten wie hier wer­den mit­tel­fris­tig die Bewer­tungs­maß­stä­be fort­ent­wi­ckelt wer­den müs­sen (so wie bei­spiels­wei­se schon die Absät­ze 2a und 3a in § 18 GWB ein­ge­fügt wurden).

Ein Zwang zu offe­nen Schnitt­stel­len dürf­te hier die größt­mög­li­che Wir­kung haben. Die­ser müss­te alle Funk­tio­nen umfas­sen, die einen kon­ti­nu­ier­li­chen Aus­tausch von Daten aus der und in die Platt­form ermög­licht. Die Schnitt­stel­le muss so weit­ge­hend sein, dass kon­kur­rie­ren­de Anbie­ter grund­sätz­lich zu sinn­vol­len Bedin­gun­gen in der Lage sind, Diens­te anzu­bie­ten, die eine direk­te Nut­zung der Platt­form durch die kon­kur­rie­ren­de Platt­form über­flüs­sig machen; dies muss also zwin­gend umfas­sen, dass über die Schnitt­stel­le alles durch­ge­führt wer­den kann, was auch auf der Platt­form direkt ange­bo­ten wer­den kann. Rich­ti­ger­wei­se müss­te man sich die Fra­ge stel­len, ob eine Beschrän­kung auf die viel genutz­ten Ange­bo­te der Platt­form aus­rei­chen müsste.

Für die tech­ni­sche Aus­ge­stal­tung müss­te eben­falls ein ange­mes­se­ner Rah­men geschafft wer­den; dies wird tie­fer gehen­de Betrach­tun­gen erfor­dern, wobei man bei Erkennt­nis­sen aus der Set­zung von Indus­trie­stan­dards ein­be­zie­hen soll­te. Ins­ge­samt dürf­ten sich bei nähe­rer Betrach­tung noch Schwie­rig­kei­ten zei­gen, die jedoch alle letzt­lich lös­bar sein dürften.

Als recht­li­ches Grund­mo­dell könn­ten Inter­con­nec­tion-Ver­fah­ren aus der Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on die­nen, obwohl die tech­ni­schen Rah­men­be­din­gun­gen hier ande­re sein dürf­ten. Kri­tisch zu hin­ter­fra­gen wäre, wie die Vor­ga­ben für das Preis­mo­dell gesetzt wer­den müss­ten. Je nach­dem, wie die Vor­ga­ben hier­für sind, kann sich hier­durch ein maß­vol­les eige­nes Geschäfts­mo­dell ergeben.

4. Zusam­men­fas­sen­de Wertung

Die aktu­el­le Situa­ti­on in der Daten­wirt­schaft erfor­dert ange­sichts eines ins­ge­samt bestehen­den Wett­be­werbs kei­ne Extrem-Ein­grif­fe. Die getrof­fe­ne Ent­schei­dung des Bun­des­kar­tell­amts zeigt fer­ner auch, dass das Recht durch­aus trag­fä­hi­ge Instru­men­te gegen Miss­brauch und Markt­ver­sa­gen zur Ver­fü­gung stellt. Auch die Durch­set­zung der DSGVO lässt hier auf wei­te­re Nach­jus­tie­rung hof­fen. Die Durch­set­zung der Kun­den­rech­te ist für funk­tio­nie­ren­den Wett­be­werb eben­so wie im Inter­es­se der Nut­zer unab­ding­bar. Hier besteht noch Nachholbedarf.

Obwohl das gel­ten­de Recht der­zeit in wesent­li­chen Tei­len als taug­lich erscheint, darf dies nicht der End­punkt sein. Es ist wich­tig, immer wie­der die bestehen­de Lage kri­tisch hin­ter­fra­gen und gege­be­nen­falls nach­zu­jus­tie­ren. Erfolgt dies nicht, wird der Abstand zwi­schen Tech­nik und Recht immer grö­ßer. Auf der ande­ren Sei­te muss es mit Bedacht erfol­gen, denn eine umgrei­fen­de Regu­lie­rung kann schnell zu Büro­kra­tie füh­ren und dazu, dass inno­va­ti­ve Ange­bo­te gar nicht ent­ste­hen. Dies wäre weder im Sinn des Wett­be­werbs noch im Sinn der Bevölkerung.

Das bestehen­de Recht zeigt sich im Grund­satz also als geeig­net, trotz­dem soll­ten wir es regel­mä­ßig hin­ter­fra­gen und uns unter ande­rem fragen:

  • Wann ist ein Unter­neh­men markt­be­herr­schen bzw. marktmächtig?
  • Ist Markt der rich­ti­ge Ansatz­punkt für den Miss­brauch von (Markt?)Macht?
  • Wel­che Daten sind eine “essen­ti­al facility”?
  • Wie kön­nen wir neu­en Spie­lern den Markt­zu­tritt ermöglichen?
  • Wie weit reicht Art. 20 DSGVO? Kann dar­über kon­ti­nu­ier­lich Zugriff auf Daten erreicht werden?

Wei­te­re span­nen­de Per­spek­ti­ven bie­tet übri­gens der CPI (Com­pe­ti­ti­on Poli­cy Inter­na­tio­nal) Chro­ni­cle von Febru­ar 2019 (eng­lisch­spra­chig).


Ergän­zung vom 26. August 2019: Mit Beschluss vom heu­ti­gen Tag hat das OLG Düs­sel­dorf die auf­schie­ben­de Wir­kung der Beschwer­den gegen die genann­te Ent­schei­dung des Bun­des­kar­tell­amts ange­ord­net. Es erteilt der Rechts­auf­fas­sung des BKar­tA in jeder Hin­sicht eine Absa­ge, begeht jedoch in ein­zel­nen Punk­ten selbst Feh­ler. Es unter­stellt etwa, dass die Hin­ga­be von Daten kei­nen wirt­schaft­li­chen Nach­teil für Ver­brau­cher habe. Dies ist zwei­fel­haft ange­sichts des­sen, dass sie ohne Zah­lung erfolgt, nor­ma­ler­wei­se die­sen daten jedoch ein Wert bei­gemes­sen wird – von dem Wert der dadurch ver­lo­re­nen Exklu­si­vi­tät ganz zu schwei­gen. Von dem (hier nicht beacht­li­chen) nicht-wirt­schaft­li­chen Wert ganz abge­se­hen. Außer­dem unter­stellt es etwa dem Nut­zer ein “Wol­len” der Bedin­gun­gen bzw. der Daten­über­mitt­lung, um spä­ter in der Begrün­dung eine völ­li­ge Indif­fe­renz zu unter­stel­len – abge­se­hen von der Wider­sprüch­lich­keit fehlt es hier an empi­ri­schen Nach­wei­sen. Die Ent­schei­dung ist glei­cher­ma­ßen wich­tig wie in Tei­len zwei­fel­haft. Die wei­te­re Ent­wick­lung bleibt (sehr) spannend!


  1. Stand 3. Quar­tal 2018, vgl. https://​www​.idc​.com/​p​r​o​m​o​/​s​m​a​r​t​p​h​o​n​e​-​m​a​r​k​e​t​-​s​h​a​r​e​/os, (15.02.2019)
  2. So etwa Leo­nid Bers­hi­ds­ky in einem Mei­nungs­kom­men­tar auf der Finanz­nach­rich­ten-Sei­te Bloom­berg (28.02.2019). Die­se Dar­stel­lung geht fehl. Es ist unbe­acht­lich, in wel­chem Rechts­ge­biet ein Markt­macht­miss­brauch erfolgt, er muss nur vor­lie­gen. Auch eine par­al­le­le Zustän­dig­keit meh­re­rer Behör­den führt nicht dazu, dass eine der Behör­den nicht han­deln dürf­te, son­dern dazu, dass sie sich aus­tau­schen soll­ten. Für das ande­re Argu­ment, dass die Markt­be­wer­tung falsch sei, trägt der Kom­men­tar übri­gens gar kei­ne fun­dier­te Begrün­dung vor, denn der Autor sagt nur, wel­che Unter­neh­men sei­ner Mei­nung nach hät­ten ein­be­zo­gen wer­den müs­sen, ohne dies näher zu begrün­den. Dahin­ge­gen hat das Amt die­se betrach­tet und ihre Auf­nah­me begrün­det abgelehnt.
  3. Einen guten Über­blick über die Maß­nah­me lie­fert der Wis­sen­schaft­li­che Dienst des Bun­des­tags in einer Zusam­men­fas­sung (17.02.2019)
  4. So im deut­schen Recht § 32 Abs. 2 GWB, aller­dings ist dies ange­sichts des Grund­rechts auf Eigen­tum, das auch vor Ein­grif­fen in die­ses schützt eine Selbstverständlichkeit.
  5. BKar­tA Unter­sa­gungs­ent­schei­dung vom 15.02.2019, AZ B6-22/16 (28.02.2019); Kon­di­tio­nen­miss­brauch gemäß § 19 Abs. 1 GWB wegen unan­ge­mes­se­ner Datenverarbeitung
  6. Ob es nun eine Markt­ver­hal­tens­re­ge­lung im Sinn § 8 UWG dar­stellt kann hier dahin­ste­hen, da es jeden­falls den Außen­auf­tritt von Daten­ver­ar­bei­tern gegen­über ihren Kun­den, also nach außen am Markt, regeln möch­te. Wür­de man dies ableh­nen, wür­de man impli­zit sagen, dass Daten­schutz-Ver­let­zun­gen auch nicht zu Markt­ver­zer­run­gen füh­ren – was jedoch unbe­strit­ten ist. Die­se Auf­fas­sung ergibt sich auch aus der Ent­schei­dung des Bundeskartellamts.
  7. Der Frei­wil­lig­keit wür­de gem. Erwä­gungs­grund 43 DSGVO ein so star­kes Ungleich­ge­wicht, das es an einer frei­en Ent­schei­dung der Betrof­fe­nen zwei­feln lässt, regel­mä­ßig ent­ge­gen­ste­hen. So hat das Bun­des­kar­tell­amt auf Sei­te 11 sei­ner Ent­schei­dung, unter b) auch die Markt­be­herr­schung als Aus­schluss der Frei­wil­lig­keit gewer­tet. Dies ent­spricht dem kla­ren Rechts­ge­dan­ken von Erwä­gungs­grund 42 Satz 5 DSGVO, dass eine Frei­wil­lig­keit nur gege­ben sein kann, wenn die betrof­fe­ne Per­son “sie eine ech­te oder freie Wahl hat” und die Ein­wil­li­gung ver­wei­gern kann, “ohne Nach­tei­le zu erlei­den”. Gera­de dies ist ange­sichts der Markt­macht und einem Man­gel von Alter­na­ti­ven ange­sichts der Netz­werk­ef­fek­te gera­de nicht der Fall.
  8. vgl. etwa Paal/Pauly/Frenzel DSGVO Art. 8 Rn. 21, eine sol­che Leis­tungs­re­ge­lung kann auch von der Prü­fung unter den Vor­ga­ben für all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen aus­ge­nom­men sein. Dies hat aller­dings auch Gren­zen dort wo das freie Spiel der Kräf­te sich gra­vie­rend unter­schied­lich star­ken Posi­tio­nen gegen­über sieht (vgl. hier­zu etwa Medi­cus, All­ge­mei­ner Teil des BGB § 32 Rn. 473 ff., zitiert nach Auf­la­ge 1982).
  9. Als Bei­spiel kann hier das Tele­fon­netz genannt wer­den: bevor es für die brei­te Mas­se inter­es­sant wur­de, muss­te zunächst eine kri­ti­sche erreicht wer­den. Die Bedeu­tung der Bezie­hun­gen zeigt sich auch dar­in, wie vie­le Per­so­nen ihre Ruf­num­mer por­tie­ren, um gleich­för­mig erreich­bar zu bleiben. 
  10. Dies wird zumin­dest in den Inter­net­com­mu­ni­ty häu­fi­ger vor­ge­tra­gen. Sie­he rein bei­spiel­haft die Kri­tik von Kof­ler, https://​kof​ler​.info/​k​o​m​m​e​n​t​a​r​-​z​u​r​-​d​s​v​go/ (26.02.2019). Die Kom­ple­xi­tät des The­mas zeigt sich gut in der Dar­stel­lung von Pri­va­cy-Cock­pits durch die Fraun­ho­fer-Gesell­schaft, https://​blog​.iese​.fraun​ho​fer​.de/​d​i​g​i​t​a​l​e​-​o​e​k​o​s​y​s​t​e​m​e​-​u​n​d​-​p​l​a​t​t​f​o​r​m​o​e​k​o​n​o​m​i​e​-​d​a​t​e​n​s​o​u​v​e​r​a​e​n​i​t​a​e​t​-​i​n​-​d​e​r​-​p​r​a​x​is/ (26.02.2019).